Aerogel oder Silikatmatte? Wann sich der Wechsel wirklich lohnt

November 17, 2025
8 min Lesezeit
VOLTH Materials Team

In industriellen Anwendungen wird Wärmedämmung traditionell mit Materialien wie Mineralwolle, Glasfaser oder Silikat-Dämmmatten umgesetzt. Diese bewährten Dämmstoffe (hier vereinfacht als "Silikatmatten" bezeichnet) sind kostengünstig und vertraut. Doch nun steht mit Aerogel ein moderner Dämmstoff zur Verfügung, der wesentlich höhere Dämmleistungen verspricht – allerdings zu höheren Kosten. Technische Entscheider fragen sich: Aerogel vs. Silikatdämmung – was sind die Unterschiede und wann lohnt sich ein Umstieg wirklich? Im Folgenden werden Aerogel-Dämmungen und klassische Silikatmatten technisch und wirtschaftlich verglichen, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu bieten.

Technischer Vergleich: Dämmleistung und Temperaturbeständigkeit

Der wichtigste Unterschied liegt in der Wärmeleitfähigkeit. Aerogele haben mit ~0,018 W/m·K oder darunter die niedrigste Wärmeleitfähigkeit aller Feststoff-Dämmstoffe. Mineralische Dämmmatten (z. B. Steinwolle, Glaswolle) liegen je nach Typ bei etwa 0,035–0,045 W/m·K. Das bedeutet, Aerogel isoliert rund doppelt so gut wie gängige Mineralwolle – oder anders ausgedrückt, man erreicht mit halber Dämmdicke denselben Effekt. Beispiel: Um einen bestimmten Wärmedurchgangskoeffizienten zu erreichen, braucht man entweder ~8 cm Mineralwolle oder ~3 cm Aerogel. Dieser Dämmvorteil pro Dicke ist besonders relevant, wenn Platz eine Rolle spielt (siehe vorheriger Artikel).

Auch im Temperaturbereich gibt es Unterschiede: Silikatbasierte Mineralwollen sind in der Regel bis ca. 600 °C einsetzbar, danach beginnen sie zu schmelzen oder ihre Fasern verlieren die Struktur. Hochwertige Silikatmatten (z. B. Keramikfasern) können Temperaturen bis 1000 °C und mehr standhalten, werden aber aufgrund von Gesundheitsauflagen immer weniger verwendet. Aerogel-Dämmstoffe auf Silica-Basis sind typischerweise für einen Bereich von ca. -200 °C bis +650 °C ausgelegt. Einige Spezial-Aerogele (mit Zusatzstoffen) vertragen kurzzeitig auch höhere Temperaturen bis ~800–950 °C, was für viele industrielle Anwendungen ausreicht. In Kryo-Anwendungen (Tieftemperatur, z. B. LNG-Anlagen) spielen Aerogele übrigens einen weiteren Vorteil aus: Sie behalten ihre Dämmleistung auch bei -200 °C, wo andere Materialien versagen oder spröde werden. Insgesamt kann man sagen, dass sich die nutzbaren Temperaturbereiche von Aerogel und mineralischen Dämmmatten im gängigen Industrierahmen überlappen – beide erfüllen den üblichen Bedarf bis ~600 °C. In extremen Fällen (über 650 °C kontinuierlich) müsste man entweder spezielle Aerogel-Typen oder alternative Hochtemperaturdämmungen einsetzen.

Brandschutz: Beide Dämmstoffarten sind nicht brennbar und für den vorbeugenden Brandschutz geeignet. Mineralwolle gilt als A1 (nicht brennbar, ohne brennbare Anteile) und Aerogel-Matten auf Silica-Basis ebenso. Hier hat Aerogel keinen Nachteil – im Gegenteil, einige Aerogelprodukte sind zugleich als passive Brandschutzschicht zertifiziert. Beispielsweise kann Aerogel in Brandschutzpaneelen integriert sein, um Feuerwiderstandsklassen zu erfüllen, ohne zusätzliche Beschichtungen. Silikatmatten benötigen bei speziellen Brandschutzanforderungen mitunter zusätzliche Behandlung (z. B. Anstriche gegen Öl- oder Feuchtigkeitsaufnahme, die im Brandfall stören könnten). Unterm Strich sind aber beide Materialgruppen für Anwendungen mit hohen Brandschutzanforderungen geeignet.

Handhabung, Montage und Betrieb: Unterschiede im Alltag

Gewicht und Flexibilität: Aerogel-Matten sind bemerkenswert leicht – ihre Dichte liegt typischerweise um 150–200 kg/m³. Mineralwolle hat ähnliche Dichten (100–150 kg/m³ bei Hochtemperaturwolle), sodass der Gewichtsunterschied pro Volumen gar nicht so groß erscheint. Allerdings wird Aerogel viel dünner eingesetzt, wodurch das Gesamtgewicht des Dämmsystems deutlich sinkt. In einem Vergleichsprojekt auf einer Offshore-Plattform konnte durch Aerogel-Isolation das Dämmgewicht um über 50 % reduziert werden, was statische Vorteile brachte. Außerdem spart das dünnere Material Platz bei Transport und Lagerung. Aerogel wird oft in Rollen oder handlichen Matten geliefert, die einfach zu verstauen sind.

Montage: Bei der Verarbeitung zeigen sich sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten. Silikatmatten (z. B. Mineralwolle) werden meist zugeschnitten und dann mithilfe von Draht, Bindedrahtnetzen oder Klammern an Rohren und Anlagen befestigt. Aerogel-Matten können ähnlich befestigt werden; viele Anwender nutzen ebenfalls Bindedraht oder Klebebänder. Der Zuschnitt ist bei Aerogel sogar einfacher – ein scharfes Messer oder eine Schere genügen. Mineralwolle hingegen reißt gerne und fasert aus, während Aerogel aufgrund seines textilen Trägermaterials formstabil bleibt. Wichtig: Aerogel-Matten erzeugen beim Schneiden feinen Staub (Silica-Staub), weshalb Schutzmaske und Handschuhe ratsam sind (vergleichbar dem Jucken und Stauben bei Mineralwolle). Einige Hersteller haben dieses Problem angegangen, indem sie Aerogelmatten mit speziellen Bindern oder Folien versehen – zum Beispiel bietet Armacell eine Variante mit verminderter Staubentwicklung an, um eine sauberere Verarbeitung zu ermöglichen.

Betrieb und Wartung: Im laufenden Betrieb zeigen sich oft Vorteile von Aerogel. Durch die hydrophobe Eigenschaft bleiben Aerogel-Dämmungen trocken, während Mineralwolle Feuchtigkeit aus der Luft oder Leckagen aufsaugen kann. Nasse Mineralwolle verliert drastisch an Dämmwirkung und begünstigt Korrosion am darunterliegenden Metall (Stichwort Korrosion unter Isolierung, CUI). Aerogel weist Wasser ab und lässt Wasserdampf diffundieren, wodurch Korrosion und Feuchteschäden stark reduziert werden. Dadurch verlängert sich auch die Lebensdauer der Dämmung: Mineralwolle im Freien oder in feuchten Prozessen muss oft schon nach 5–10 Jahren getauscht werden, während Aerogel-Matten vielfach 2–3 mal länger intakt bleiben. Ein Praxisbeispiel: Auf einer Offshore-Anlage wurden Aerogel-Isolierungen eingesetzt, woraufhin die Wartungskosten um 28 % sanken, da seltener Instandhaltungen der Dämmung nötig waren und Korrosionsschäden zurückgingen.

Ein weiterer Aspekt ist die Mehrfachfunktion: Aerogel kann neben Wärmedämmung auch Schalldämmung und Brandschutz bieten. Mineralwolle hat zwar auch schallabsorbierende Wirkung, doch Aerogel-Matten erreichen trotz geringerer Dicke teils ähnliche Schalldämmwerte. So kann man unter Umständen mit einer Aerogel-Lösung mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen (Wärme, Schall, Feuer in einem Material), während konventionell dafür mehrere Schichten nötig wären.

Wirtschaftlichkeit: Total Cost of Ownership im Blick

Der wohl größte Vorbehalt gegenüber Aerogel ist der Preis. Silikat-Dämmstoffe sind Massenware und sehr günstig: Mineralwolle kostet etwa 25–35 € pro m² (bei 10 cm Dicke). Aerogel-Dämmatten liegen je nach Typ und Menge im dreistelligen Bereich (€ pro m²) – also um ein Vielfaches höher. Dieser hohe Anschaffungspreis schreckt verständlicherweise ab, wenn man nur auf Materialkosten schaut. Doch eine reine Betrachtung des Preises pro Quadratmeter greift zu kurz, denn die Gesamtkosten über die Lebensdauer können Aerogel in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.

Einsparungen im Betrieb: Wie oben beschrieben, spart Aerogel Energie. Weniger Wärmeverlust bedeutet geringere Heizkosten bzw. weniger Kühlaufwand. In energieintensiven Prozessen macht sich das in der Bilanz bemerkbar. Wenn z. B. durch Aerogel-Dämmung 20 % Energie eingespart werden können, rechnet sich die Investition je nach Energiepreis oft schon in wenigen Jahren. Ein Beispiel aus der Praxis: Eine 10 km lange Pipeline wurde von Mineralwolle auf Aerogel umgerüstet und sparte über 15 Jahre rund 1,2 Millionen Euro an Energiekosten ein. Gleichzeitig reduzierten sich Ausfallzeiten, da die Anlage seltener wegen Dämmungsarbeiten heruntergefahren werden musste.

Wartungskosten: Aerogel punktet mit Langlebigkeit. Weniger Wechsel der Dämmung bedeutet geringere Arbeitskosten und weniger Produktionsunterbrechungen. Entsorgungskosten für alte, kontaminierte Mineralwolle entfallen weitgehend, wenn die Dämmung Jahrzehnte hält. Diese Faktoren fließen in den Total Cost of Ownership (TCO) ein. Zwar ist die Anfangsinvestition höher, aber über 10–20 Jahre Betrieb kann Aerogel wirtschaftlich sogar günstiger sein. Besonders in Branchen, wo Ausfälle extrem teuer sind (Chemie, Öl & Gas, Kraftwerke), lohnt ein Material, das wartungsarm ist und dauerhaft performt.

Wert des Platzgewinns: Ein oft übersehener wirtschaftlicher Vorteil ist der platzbedingte Nutzen. Dünnere Dämmung kann kompaktere Anlagen ermöglichen – oder mehr Produktionskapazität auf gleichem Raum. In Anlagenmodulen (Skids) etwa lassen sich durch 30–50 % weniger Dämmdicke zusätzliche Rohrleitungen oder größere Apparate unterbringen. Für Anlagenplaner bedeutet das mehr Durchsatz pro Modul oder Einsparungen bei den Stahlstrukturen, weil alles kleiner dimensioniert werden kann. Dieser indirekte wirtschaftliche Nutzen ist schwer in Euro zu beziffern, kann aber in Großprojekten sehr erheblich sein (z. B. geringere Transportkosten für Module, schnellere Montage, etc.).

Förderungen und Image: Nicht zuletzt sind innovative Dämmstoffe in Zeiten von Energieeffizienz und CO₂-Einsparung auch ein Imagefaktor. Unternehmen, die modernste Technik einsetzen, signalisieren Nachhaltigkeit und Innovationsfreude. In manchen Ländern gibt es zudem Förderprogramme für den Einsatz von Hochleistungsdämmungen zur Energieeinsparung – diese können die Kosten weiter relativieren.

Fazit: Wann lohnt der Wechsel zu Aerogel?

Aerogel oder Silikatmatte? Die Antwort hängt vom Einzelfall ab. Aerogel-Dämmstoffe bieten technisch klare Vorteile: sie dämmen besser bei geringerem Platzbedarf, sind langlebiger und vielseitiger einsetzbar (Stichwort Kombinationsnutzen Wärme/Schall/Brandschutz). Lohnen tut sich der Wechsel vor allem, wenn einer der folgenden Punkte zutrifft:

  • Beengter Bauraum: Überall dort, wo traditionelle Dämmung zu dick auftragen würde, ist Aerogel die Lösung der Wahl. In engen Maschinen, bei Nachrüstungen mit wenig Platz oder in mobilen Anwendungen bringt Aerogel den nötigen Wärmeschutz überhaupt erst möglich.
  • Hohe Energiepreise / lange Laufzeiten: Wenn eine Anlage sehr energieintensiv ist oder rund um die Uhr über viele Jahre läuft, führt die bessere Dämmung zu erheblichen Kosteneinsparungen. Je höher die Energiekosten und je kontinuierlicher der Betrieb, desto schneller rechnet sich Aerogel wirtschaftlich.
  • Hohe Wartungskosten oder empfindliche Prozesse: Muss herkömmliche Dämmung häufig gewechselt werden (z. B. wegen Feuchtigkeit, mechanischem Verschleiß oder strengen Hygieneanforderungen), spart Aerogel Zeit und Geld. In kritischen Prozessen, wo Temperaturstabilität über Jahre gewährleistet sein muss, bietet Aerogel zusätzliche Sicherheit.
  • Kombinierte Anforderungen: Situationen, in denen zugleich Wärmedämmung, Brandschutz und ggf. Schalldämmung gefragt sind. Aerogel kann mehrere Funktionen erfüllen, was Konstruktion und Montage vereinfacht.
  • Wert des zusätzlichen Raums: Wenn durch dünnere Dämmung ein größerer Nutzen generiert werden kann – z. B. mehr Produktionsfläche, kleinere Anlagen oder Vermeidung eines größeren Umbaus – übersteigt dieser Nutzen oft die Mehrkosten des Materials.

Nicht in jedem Fall ist Aerogel die richtige Wahl. Bei sehr großen Flächen ohne Platzprobleme (etwa in einem isolierten Lagertank mit viel Raum für Dämmung) und begrenztem Budget kann eine konventionelle Lösung sinnvoll bleiben. Kostenbewusstsein ist wichtig: Aerogel ist eine Premium-Lösung und sollte gezielt dort eingesetzt werden, wo sie den größten Mehrwert stiftet.

Summa summarum: Der Wechsel lohnt sich überall dort, wo die überlegene Performance von Aerogel die höheren Investitionskosten ausgleicht – sei es durch eingesparte Energie, vermiedene Stillstände, gewonnenen Raum oder erhöhte Sicherheit. Die Entscheidung sollte anhand einer Gesamtbetrachtung getroffen werden. Viele Unternehmen starten mit Pilotprojekten an kritischen Anlagenteilen, sammeln Erfahrungen mit Aerogel und weiten den Einsatz bei Erfolg aus.

Technologisch zeigt der Trend klar nach vorne: Sinkende Aerogel-Preise durch größere Produktionsmengen und weiterentwickelte Produkte könnten die Wirtschaftlichkeit künftig noch verbessern. Wer schon heute auf Aerogel setzt, verschafft sich einen Vorsprung in Richtung Effizienz und Nachhaltigkeit. Aerogel muss nicht überall Mineralwolle ersetzen, aber überall dort, wo es zählt, sollte es ernsthaft in Betracht gezogen werden.

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